Plötzlich verwirrt: Delir im Krankenhaus ist eine unterschätzte Gefahr
„Es geht nicht um Stigmatisierung, sondern um konkrete Hilfe“, sagt Kathrin Reinel. Die Altenpflegefachkraft ist seit Januar gemeinsam mit der Pflegedirektion verantwortlich für das Delir-Management des Ev. Krankenhauses Hagen-Haspe.
20-50% der älteren Menschen, die in ein Krankenhaus aufgenommen werden, erleiden während des Krankenhausaufenthaltes ein Delir. Besonders gefährdet sind Personen mit einer Schenkelhalsfraktur (65%) oder einer (vielleicht auch noch unerkannten) Demenz (56%). Bei jedem Patient, der während seines Krankenhausaufenthaltes ein Delir erleidet, besteht die Gefahr, dass dadurch die Liegezeit verlängert wird und damit verbunden unerwünschte Nebenerkrankungen, wie zum Beispiel ein Druckgeschwür, entsteht“, betont Pflegedirektorin Karin Kruse. „Und es ist wichtig, dass wir am Mops konkret etwas dagegen tun.“ Mit ihrem Team hat sie im Hasper Krankenhaus das Delir-Management konzipiert. Seit Januar wird es umgesetzt.
Ein Delir ist ein Zustand akuter Verwirrtheit, der für einen Menschen lebensgefährlich werden kann. Bewusstsein, Aufmerksamkeit, Orientierung und geistige Fähigkeiten können schwer beeinträchtigt sein. Es besteht die Gefahr zur Selbstgefährdung und für irreversible Symptome. „Viele Menschen denken, dass es nur ein Alkohol- oder Drogenentzugsdelir gibt“, so Kathrin Reinel. „Das ist aber nur eine Form des Delirs. Die meisten deliranten Patienten im Krankenhaus haben keinen Zusammenhang mit einem Alkohol- oder Drogenentzug.“
In der Zentralen Notaufnahme am Mops erhalten alle Patientinnen und Patienten über 75 eine Ersteinstufung der Gefährdung nach standardisierten, wissenschaftlich anerkannten kurzen Tests. „Liegt ein Risiko vor, begleite ich die Patienten während des gesamten Krankenhausaufenthalts“, und kläre die Patienten intensiv auf, was als nächstes passiert. Wir schaffen so Orientierung, berichtet die Altenpflegerin. Das Bild einer Dahlie ist ihr Erkennungszeichen. Sie trägt es an der Dienstkleidung und es liegt auf dem Nachttisch im Patientenzimmer – mit den Kontaktdaten der Fachfrau. „Zuhören, ernst nehmen und ein enger Kontakt mit den Angehörigen hilft allen.“
Gefährdete Menschen begleitet sie bis in den OP und bleibt, bis sie eingeschlafen sind. Wenn sie wach werden, ist sie da. „Ich spreche sie mit ihrem Namen an, versuche Reorientierung zu geben und Sicherheit zu vermitteln“, erklärt Kathrin Reinel. Viele kleine Dinge helfen dabei. z.B. wird in der sogenannten Elibox Hörgerät, Zahnprothese und Brille in den OP mitgenommen, so dass beim Wachwerden alle wichtigen Hilfsmittel direkt genutzt werden können. Und es gibt ein Wassereis nach der OP. Die Frage nach dem Geschmack wird oft schon mit Erinnerungen an früher verknüpft. Und das kalte Eis macht munter.
Grundsätzlich sind tagsüber stimulierende und nachts schlaffördernde Maßnahmen wichtig. Häufige Besuche von wenigen vertrauten Menschen, das Aufstehen und Laufen nach einer OP und das Essen im Sitzen unterstützen das. Eine Uhr auf dem Nachtisch, die Zeitung, ein Kalender oder ein Radio, auf dem der bekannte Sender läuft, geben Orientierung. „Gut ist auch ein Foto der Familie“, weiß Kathrin Reinel.
Am Mittwoch, 12. März ist „Welt-Delirium-Awareness-Tag“. „Neben der konkreten Hilfe wollen wir das Bewusstsein für Delirium und seine Auswirkungen auf Patienten und Patientinnen, Familien und Gesundheitssysteme bekannt machen“, sagt Karin Kruse.
Foto: Kathrin Reinel, Altenpflegefachkraft, ist seit Januar gemeinsam mit der Pflegedirektion verantwortlich für das Delir-Management des Ev. Krankenhauses Hagen-Haspe.