"Dass Menschen mit Behinderung in ihrer medizinischen Versorgung benachteiligt werden, widerspricht jedem ethischen Grundsatz"
Ev. Krankenhaus Hagen-Haspe lud ein zum Fachtag „ Inklusive Medizin“
In Deutschland gibt es genauso viele Menschen mit geistiger Behinderung wie Ärztinnen und Ärzte – jeweils rund 400.000. „Dass Menschen mit Behinderung trotzdem in ihrer medizinischen Versorgung benachteiligt werden, widerspricht jedem ethischen Grundsatz“, betonte Dr. Jörg Stockmann. Der Chefarzt der Inklusiven Klinik des Ev. Krankenhauses Hagen-Haspe hatte zu einem Fachtag eingeladen. Thema: „Was brauchen Menschen mit geistiger Behinderung, wenn sie im Krankenhaus behandelt werden?“
Gäste aus ganz Deutschland nutzten die Gelegenheit zum Austausch. Neben Fachkräften aus unterschiedlichen Wohnangeboten war auch Claudia Middendorf, die Beauftragte der Landeregierung für Menschen mit Behinderungen und eine Mitarbeiterin von Jürgen Dusel dem Bundesbehindertenbeauftragten Teilnehmerin der Tagung.
Das Ev. Krankenhaus Haspe verfügt neben einem ambulanten Medizinischen Zentrum für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) neuerdings auch über eine Klinik für Inklusive Medizin – ein Angebot das weit über die Region hinaus einmalig ist. Warum macht ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung diesen Schritt? „Wenn nicht wir – wer sonst?“, erklärte Markus Bachmann, Vorstand der Ev. Stiftung Volmarstein beim Fachtag. Denn seit den Gründungsjahren nach 1904 bietet die Ev. Stiftung Volmarstein nicht nur Wohn-, Beschäftigungs- und Ausbildungsangebote für Menschen mit Behinderung sondern auch eine breite medizinische Versorgung. „Wir fühlen uns dieser Tradition verbunden und es ist uns eine Herzensangelegenheit, die Medizin für Menschen mit Behinderung zu verbessern“, betonte Bachmann.
Gleiches Recht für alle in der Medizin forderte Prof. Susanne Schwalen, Geschäftsführende Ärztin der Ärztekammer Nordrhein. „So steht es in der UN-Behindertenrechtskonvention, die auch Deutschland unterzeichnet hat“, betonte die Ärztin. In einer Studie hat sie festgestellt, dass Menschen mit Förderbedarf wesentlich seltener Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen. Daher leiden sie unter Krankheiten, die vermeidbar wären. Prof. Susanne Schwalen pocht daher auf den Ausbau der ambulanten und stationären Versorgung für Menschen mit geistiger Behinderung.
„Pflegekräfte werden in ihrer Bedeutung für die Gesundheit und die stationäre Versorgung von Menschen mit Behinderung massiv unterschätzt“, stellte Prof. Karin Tiesmeyer fest. Sie präsentierte dazu aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
In einer regen Diskussion, moderiert von Frank Bessler, dem ärztlichen Leiter des Geschäftsfelds Gesundheit in der Stiftung, tauschten sich die Teilnehmer anschließend aus. „Dass Menschen mit Förderbedarf oft zu spät untersucht und behandelt werden und dadurch auch vermeidbar früher sterben, belegen Studien aus verschiedenen Ländern“, betonte Dr. Jörg Stockmann. In einem Live-Interview berichteten ein junger Mann mit komplexer Behinderung, seine Eltern und ein weiterer Angehöriger sehr anschaulich über ihre häufig negativen Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem. „Schilderungen von Patienten und deren Angehörigen bestätigen uns täglich, welche Verbesserungsbedarfe es gibt“, so der Chefarzt der Inklusiven Klinik in Hagen-Haspe.